„Es gibt nichts, was Holz nicht kann“

Oberhaiderberg

Johannes Seidl, Schreiner und Waldbauer am Oberhaiderberg, Einöde in Lohberg, ist fasziniert von Holz. Holz steht vor der Haustür, ganz Venedig steht auf Holzstelzen, Holzschiffe ermöglichten die Entdeckung Amerikas, Holzteile wurden in der Raumfahrt als Hitzeschilde eingesetzt. In einem Gespräch erklärt er, warum er Holz verdammt cool findet.

Wie eignen sich die verschiedenen Baum- bzw. Holzarten für die Innen- und Außennutzung?

Johannes Seidl: Die Lärche ist für außen gut geeignet. Denn sie bildet viel Harz; das macht das Holz widerstandsfähig. Es verhindert die Fäule, weil es Konservierungsstoffe enthält. Tanne und Douglasie sind besser für außen geeignet als etwa die Fichte. Aber alles hält! Und das sehr lange. Auch eine Fichtenbretterschalung an der Scheune hält 90 Jahre. Man kann sagen: Je größer die Dachneigung, desto schneller trocknet das Holz, desto länger hält es. Pro Grad ein Jahr. Bei senkrechten Verschalungen sind es 90°, die halten also 90 Jahre. Gespaltene Lärchenholzschindeln, die in einem Winkel von 45° angebracht werden, halten 45 Jahre, z. B. bei Dächern.

Also liegt die Beständigkeit gar nicht vorranging an der Holzart?

Nässe spielt eine wichtige Rolle. Ein Holzpfahl beispielsweise fault nur an der Stelle, wo er feucht wird, also da, wo er Bodenkontakt hat; der lange senkrechte Teil darüber bleibt davon unberührt. Baut man etwa die Wände direkt unter dem Dach aus Holz, dann halten die quasi ewig. Die sind vor der Witterung gut geschützt. Bei unserem denkmalgeschützten Haus sind die Bretter unterm Dach schon seit 1920 dran. Jetzt sind sie zwar schwarz, aber halten noch hunderte Jahre. Im Außenbereich sollte man immer den konstruktiven Holzschutz im Blick haben.

Konstruktiver Holzschutz heißt?

Holz vor Feuchtigkeit schützen und so die Langlebigkeit des Holzes zu gewährleisten. Und zwar durch chemiefreie, rein bauliche Maßnahmen. Also Wasser von den Flächen ableiten. Dann hält Holz schon ziemlich lange. Sonne, Regen, Schnee und Eis entziehen dem Holz die Farbe, es wird grau. Deswegen ist es aber noch lange nicht schlecht! Es fault ja nicht – es hält! Berghütten in Österreich oder Südtirol oder anderswo in den Bergen werden alle aus Holz gebaut und schauen meistens schon grau aus. Ich glaube nicht, dass verputzte Häuser auf 4.000 Höhenmetern so gut halten würden. Wenn im Winter alles vereist und das Eis weggeschlagen wird, dann würde der Putz wahrscheinlich mit runterfallen. Aber Bretter halten dem Stand. Früher wurden ja auch Schiffe aus Holz gebaut. Die schwimmen permanent im Wasser und halten sehr lange Zeit.

Stimmt…

Die sind damals mit Holzschiffen nach Amerika gesegelt! Ganz Venedig ist auf Holz gebaut! Sobald das Holz unter Wasser ist und nicht mit Sauerstoff in Berührung kommt, kann es nicht faulen. Erst, wenn der Wasserspiegel sinkt und der Sauerstoff ans Holz kommt, dann macht das den Hölzern zu schaffen.

Früher wurden ja auch Schiffe aus Holz gebaut. Die schwimmen permanent im Wasser und halten sehr lange Zeit.

Wenn mit Holz alles möglich ist, warum wird dann heute überwiegend auf andere Baustoffe gesetzt?

Das liegt vielleicht an der modernen Gesellschaft. Heute werden moderne Häuser hauptsächlich weiß, grau, schwarz oder anthrazit gebaut. Unser Haus ist das perfekte Objekt, um zu zeigen: Jede Generation wollte das Beste daraus machen. Die Ersten haben mit Natursteinen ausgemauert, die Nächsten mit Vollziegeln weitergemauert, die Nachfolgenden bauten einen Dachstuhl aus Holz drauf. Und dann kam eine Generation, die baute an eine Seite Eternitplatten, die enthielten Asbest. Beim Einbau scherte sich niemand darum, aber weil man heute weiß, wie schädlich das ist, braucht man einen Lehrgang, um die Platten entsorgen zu dürfen. Holz hingegen kannst du als Entsorgung einfach als Brennholz verwenden. Wenn Holz grau wird, sieht es halt nicht so aus, wie es die Gesellschaft wünscht. Nicht perfekt.

Hast du ein Lieblingsholz?

Ich habe kein Lieblingsholz. Aber ich mag Holz aus dem eigenen Wald, egal ob Fichte, Tanne oder Buche. Die Erinnerung daran, wo der Baum stand, ist einfach besonders. Im Haus stammen mindestens 90 Prozent des Holzes aus dem eigenen Wald. Die Küche ist aus Buche.

Warum genau Buche?

Generell kannst du für den Bau einer Küche alles nehmen. Das ist einfach Geschmackssache.

Aber Holzarten haben doch unterschiedliche Materialeigenschaften und sind deswegen für andere Verwendungen geeignet.

Für den Boden nimmt man meist Harthölzer her, weil sie widerstandsfähiger sind. Aber im Schwarzauerhaus z.B. ist ein Fichtenboden drin, und das schon seit 200 Jahren. Was man halt haben will. Da geht es um Optik. Die Herausforderung ist, etwas zeitlos zu machen. Etwas, das du auch in 50 Jahren noch anschauen magst.

Wie erreicht man das, wie gehst du vor?

Du musst mit dem Holz gehen, nicht dagegen. Du kannst nicht sagen: Das muss perfekt sein. Es ist nie perfekt. Holz ist unperfekt. Man muss einfach schauen, wie man mit dem, was man hat, umgeht. Wenn ich für mich selbst ein Möbelstück machen möchte und ich Bretter habe, in denen der Wurm schon Löcher gebohrt hat, dann stelle ich mir die Frage: Soll ich die jetzt alle wegwerfen? Oder mach ich trotzdem was daraus? Dann schau ich mir zwei Wochen lang Brett für Brett an, dreh es nach vorne, nach hinten, nach links und nach rechts. Dann war klar: Die Wurmlöcher sind halt da, die sind schwarz geworden, die sieht man. Ist so.

Ist es nicht nervig, dass sich Holz verzieht?

Dann musst du dem Holz eben den Freiraum geben, dass es sich verziehen kann. Bäume, sogar Hochhäuser müssen sich verbiegen können. Man muss die Eigenschaften von Holz einfach mitnehmen. Und nicht verhindern. Mit Leim oder sonst was.

Man muss die Eigenschaften von Holz einfach mitnehmen. Und nicht verhindern.

Wünschst du dir manchmal, Holz wäre perfekt? Dann wäre es bestimmt einfacher zu bearbeiten.

Holz lebt halt einfach. Bei vielen Materialien kann man vorbestimmen, wie das Produkt zum Schluss aussieht. Beim Holz weiß man nur: Es geht in Richtung soundso, aber hundertprozentig kann man das Endprodukt nicht voraussagen. Das Traurige ist: Die Schreinerarbeit beschränkt sich heutzutage oftmals sehr viel auf Spanplatten. Aber so Massivholzsachen sind nicht mehr so gefragt. Es geht nur um Optik. Die Meisten wünschen sich nur die Optik von Holz, jedoch verstehen nur die Wenigsten, worum es beim Holz wirklich geht. Viele wollen Fertigküchen. Und die sind so ausgelegt, dass man alle 12 – 15 Jahre die Küche wechseln soll. Der Beschlag hält nicht mehr, das Türchen hängt runter. Du brauchst ein Ersatzteil, das gibt’s aber schon gar nicht mehr. So läuft die Industrie. Mit Massivholzbauweise denken wir viel zu langfristig.

Schade.

Früher bauten wir, mein Vater und ich, Tische, Stühle und Hollywoodschaukeln. Letztens kam ich an einer solchen Hollywoodschaukel vorbei, die wir damals verkauften. Die steht jetzt seit 15 Jahren im Freien – und ist immer noch stabil! Die hat auch was gekostet. Und eben das ist das Schwierige: der Masse zu vermitteln, dass ein solches Produkt, in Massivholzbauweise handgemacht, etwas Langfristiges ist und deshalb so viel mehr kostet als ein Billigteil aus dem Baumarkt, das vielleicht 5 Jahre hält.

Was kann Holz, was nicht?

Ich glaube, es gibt nichts, was Holz nicht kann. Sogar in der Raumfahrt wurde am Anfang mit Holz experimentiert: Man baute es als Hitzeschild ein. Das Fahrzeug hat ein enorm hohes Tempo, also ist die Reibung sehr groß. Dadurch entsteht Hitze – und Holz schirmte die damals am besten ab. Holz verglüht einfach, aber hinter der Oberfläche bleibt es immer noch kühl. Es wird nicht auch auf der anderen Seite heiß wie etwa Eisen. Die Wärmeleitfähigkeit von Holz ist ganz gering.

Woher kommt deine Faszination für Holz?

Wenn ich irgendwo an der Küste aufgewachsen wäre, wäre ich wahrscheinlich Fischer. Dann wäre da meine Faszination. Aber ich wurde hier groß und deswegen mache ich etwas mit dem, was um mich rum ist. Mich begeistern die unendlichen Formen und Facetten von Holz. Ob du mit der Motorsäge daran schnitzt oder die feinste Oberfläche für Möbelstücke daraus machst. Auch die ganzen unterschiedlichen Farben von Holz; ob du mit edlen Obsthölzern arbeitest oder mit Fichte beim Zimmern. Du kannst alles daraus machen, du musst nur wissen: Was mag ich, was gefällt mir? Mit Holz kann man einfach das Beste aus einem Haus machen. Ob es das Dach ist mit Balken für Tragdecken, Fenster, Heizung. Was sollst du denn da sonst nehmen? Beton, Eisen? Holz ist einfach nachhaltig. Die nächste Generation kann es ganz einfach entsorgen oder häckseln und verbrennen. Oder was Neues draus machen.

Und eben das ist das Schwierige: der Masse zu vermitteln, dass ein solches Produkt, in Massivholzbauweise handgemacht, etwas Langfristiges ist und deshalb so viel mehr kostet als ein Billigteil aus dem Baumarkt, das vielleicht 5 Jahre hält.